THE PATH

 

GQ-MAGAZIN.DE / 16. April 2018

Der erste Blick täuscht:

Kritik zu Staffel 3 von „The Path“

 

Die dritte Staffel von "The Path" erzählt vom Machtkampf um die spirituelle Führung der Meyeristen-Bewegung. Eddie Lane (Aaron Paul aus „Breaking Bad“) ist nun der religiöse Führer der fiktiven Sekte. Leider wurde die Serie inzwischen vom Streaming-Anbieter Hulu abgesetzt.

 

Das Anwesen der Meyeristen-Bewegung in Upstate New York sieht auf den ersten Blick ziemlich idyllisch aus: Es ist umgeben von Wäldern und liegt an einem blauen See. Ein Farmhaus ist das größte Gebäude, alle anderen Häuser sind überwiegend aus Holz und weiträumig über das Grundstück verteilt. Natürlich darf ein Gemüsegarten nicht fehlen und irgendwo steht auch ein Indianerzelt herum.

 

Erst auf den zweiten Blick fallen einem Besonderheiten auf: Wie bei einer „Gated Community“ ist der Eingang zur Siedlung fest in der Hand eines Wachschutzes. Die Bewohner müssen sich sogar abmelden, wenn sie das Gelände verlassen wollen. Viele Menschen tragen T-Shirts, auf denen ein großes Auge abgebildet ist und auch in den meisten Innenräumen wird man kontinuierlich von diesem Auge beobachtet.

 

Die Erfindung einer neuen Religion

 

Bei der Erschaffung einer fiktionalen Religionsgemeinschaft hätte viel schief gehen können. Doch Jessica Goldberg, die Erfinderin der Serie „The Path“ macht vieles richtig: Die Produktion des Streamingdienstes Hulu, mit den Hauptdarstellern Aaron Paul (er spielt Eddie Lane), Michelle Monaghan (Sarah Lane) und Hugh Dancy (Cal Roberts), geht jetzt bereits in die dritte Runde.

 

„The Path“ ist ein Glücksfall, der aus dem sonst üblichen Sumpf aus Crime, Horror und Fantasy herausragt: Die Serie ermöglicht einen Blick in das Innere einer Sekte, in das Zentrum einer Pseudoreligion also, in der Machtmissbrauch, Ausbeutung, Korruption, Glaubenskrisen und Manipulation vorherrschen. Erzählt wird dies vor allem durch die Handlungen der drei wichtigsten Hauptfiguren Eddie, Sarah und Cal, die drei archetypische Charaktere verkörpern: den Zweifler, die fürsorgliche Mutter und den Lügner.

 

Die Zerrissenheit der Hauptfiguren

 

Aaron Paul, der Star aus der Kultserie „Breaking Bad“, ist in seiner Rolle als Eddie Lane so etwas wie das soziale Gewissen innerhalb dieser Dreier-Konstellation. Er macht den krassesten Wandel durch, vom anfänglichen Zweifler bis zu dem Punkt, an dem er die Sekte verlassen muss und von den Anhängern nur noch als Leugner wahrgenommen wird. Doch am Ende der zweiten Staffel ist Eddie derjenige, der alle anderen Ausgestoßenen hinter sich versammelt, um sie wieder in den Schoß der Sekte zurückzuführen. Hier deutet sich bereits an, dass er vielleicht sogar das Zeug zum Anführer hat.

 

Seine Frau, Sarah Lane (Michelle Monaghan aus „True Detective“), wurde in die Sekte hineingeboren und gehört mit zum Führungszirkel. Sie ist sehr religiös und glaubt auch wirklich an den Weg, den ihr der Sektengründer Dr. Stephen Meyer vorgegeben hat. Um die Bewegung zu retten, scheut Sarah allerdings nicht davor zurück, Menschen zu erpressen. Darüber hinaus deckt sie den inoffiziellen Sektenanführer Cal Roberts (Hugh Dancy), nachdem sie erfahren hat, dass dieser den Zeremonienmeister Silas getötet hat.

 

Cal Roberts – „der Lügner“ – ist in dieser Dreier-Konstellation die Person, die am meisten zu verbergen hat. Er ist fähig, einen Menschen zu ermorden und die Sache zu vertuschen, er hetzt Familienmitglieder gegeneinander auf, schwängert eine verheiratete Anhängerin und tut auch sonst alles, um an der Spitze der Bewegung zu bleiben.

 

Zusammen mit der Perspektive des Heranwachsenden (Eddies Sohn Hawk) ergeben die Handlungen der drei Haupt-Charaktere das schlüssige Bild einer Bewegung, die aufgrund von Täuschungen und Manipulationen immer weiter in Bedrängnis gerät. Wir sind live dabei, bei der Selbstdemontage einer Sekte.

 

Dramatischer und noch kontroverser

 

Alle 13 Episoden der dritten Staffel „The Path“ sind in Deutschland seit dem 26. April bei Amazon Prime Video zu sehen. Bekannte Neuzugänge sind Freida Pinto, bekannt aus „Slumdog Millionär“ und Sarita Choudhury (Die Tribute von Panem). Sogar Vincent Kartheiser (Mad Men) hat eine kleinere Rolle.

 

Eddie Lane ist inzwischen „Wärter des Lichts“ – der Anführer der Meyeristen-Bewegung, nachdem er eine schwangere Frau unverletzt aus einem brennenden Gebäude gerettet hat. Ein Video dieses „Wunders“ wird ein viraler Internethit, der für weltweite Aufmerksamkeit sorgt: Die Sekte wächst.

 

In Staffel 3 wird die Handlung dramatischer und teilweise noch kontroverser: Eine bisher unbekannte Tochter von Sektenanführer Meyer betritt die Bühne. Sie ist das Kind einer besessenen Apokalyptikerin, die einst mit dem Gründer gemeinsame Sache gemacht hat. Mutter und Tochter versuchen nun, die Sekte von innen heraus zu zerstören. Sarah Lane übernimmt die Rolle der Zweiflerin und wird schließlich wie eine Abtrünnige behandelt. Eddie Lane ist hin- und hergerissen und von seiner Rolle als Anführer deutlich überfordert. Die Spannung steigt, Folge für Folge.

 

Darüber hinaus werden Themen wie Homosexualität und Christentum sowie sexueller Missbrauch und Pädophilie behandelt – aktuelle und relevante Gesellschaftsthemen also, die normalerweise in der Mainstream-Serienlandschaft eher ausgeblendet werden.

 

Abgesetzt nach der dritten Staffel

 

Insofern ist es wirklich schade, dass „The Path“ inzwischen von der Streaming-Plattform Hulu abgesetzt wurde. Da Hulu - ähnlich wie Netflix - keine Zuschauerzahlen veröffentlicht, kann hier nichts über einen Einbruch der Zuschauerquote geschrieben werden. Bei Rotten Tomatoes kommt die dritte Staffel immerhin auf einen „Audience Score“ von 83 Prozent: Einer überwiegenden Mehrheit der Fans scheint die Serie gut gefallen zu haben. Die plötzliche Absetzung einer Serie bleibt eine absurde Form der Respektlosigkeit den Zuschauern gegenüber, der man leider mehr oder weniger machtlos gegenübersteht.

 

„The Path“ (Staffel 3) läuft seit dem 26. April auf Amazon Prime Video

 

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Teaserbild Copyright (c) HULU / Amazon Prime