BUSHIDO: DOKU

(c) content factory / Amazon Prime Video
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GQ-Magazin / 26. November 2021 / Update

Bushido-Doku “Unzensiert” auf Amazon Prime: Vom Gangster-Rapper zum netten Familien-Papa

 

Die Doku-Serie über den Skandal-Musiker Bushido, der mit seiner Familie unter Polizeischutz steht, gibt intime Einblicke in sein Privatleben und erzählt seine Version vom Bruch mit dem Abou-Chaker-Clan.

 

Die Stimmung ist friedlich: Vögel zwitschern und ein Hund blickt gelangweilt von innen nach draußen auf die Straße. Bedrohliche, leicht melancholische Musik liegt unter der Szene. Cut, nächste Szene, eine leere Villa von innen, Kerzenleuchter stehen auf einem langen Tisch, ein leeres Treppenhaus, dann ein Arbeitszimmer mit einer Reihe von Bildschirmen. Eine Stimme beginnt zu sprechen: „Wenn du auf diese drei Jahre zurückblickst, bist Du stolz auf Dich?“ fragt der Sprecher. Bushido kommt ins Bild, in T-Shirt und Shorts, mit nachdenklicher Miene; zuerst sind seine Unterarm-Tattoos zu sehen. „Ich wäre, glaube ich, stolzer auf mich, wenn dieser ganze Scheiß einfach nicht passiert wäre“, sagt er.

 

Bushido redet weiter, während seine Ehefrau und Kinder beim Frühstücken eingeblendet werden. Er umarmt seine Tochter und tröstet ein weinendes Kind. Der Mann mit dem Künstlernamen Bushido, der in Wirklichkeit Anis Ferchichi heißt, wirkt müde, er macht sogar einen leicht schwermütigen Eindruck. Dann verlassen die Kinder mit Schulranzen das Haus, begleitet von LKA-Personenschützern. Bushido kommt mit weißem T-Shirt und schwarzer Hose die Treppe herunter und verabschiedet sich von seiner Frau.

 

Erfolgreich, aber auch umstritten

 

„Nein, stolz bin ich nicht“ sagt der Rapper in einer emotionalen Szene direkt in die Kamera, und es scheint fast, als hätte er Tränen in den Augen. Es ist der 17.08.2020, drei Stunden vor Prozessbeginn. Draußen wird Ferchichi von drei uniformierten Polizisten begleitet.

 

Die Dokumentation „Unzensiert – Bushido’s Wahrheit“ begleitet Anis Ferchichi und seine Familie von Juni 2018 bis August 2020, dem Beginn des Gerichtstermins. Der Sechsteiler ist eine Produktion der Berliner Content Factory. Die Interviews führte der Bild-Journalist Peter Rossberg.

 

Bushido ist einer der umstrittensten Künstler Deutschlands. Wegen seiner Verbindungen zum organisierten Verbrechen steht er seit langer Zeit in den Schlagzeilen; in den letzten Jahren fokussierten sich die Medien vor allem auf seine Kontakte zur Berliner Großfamilie Abou-Chaker – Clan-Chef Arafat Abou-Chaker war jahrelang sein Freund und Geschäftspartner, der ihm die notwendige „Street-Credibility“ verschaffte, die man als Gangster-Rapper unbedingt braucht, um innerhalb der Szene glaubwürdig zu sein. Ab Ende 2007 gibt es keine Touren mehr ohne Mitglieder des Clans – Bushido ist nun jahrelang der erfolgreichste Rapper Deutschlands, der in Stadien auftritt, mit schreienden Mädchen vor der Bühne. Er verdient plötzlich jährlich – nach eigener Auskunft – bis zu neun Millionen Euro.

 

(c) content factory / Amazon Prime Video
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Intimste Details aus Bushidos Leben

 

Nach einem Streit zwischen Anis Ferchichi, Arafat und Anna-Maria Ferchichi, der Ehefrau von Bushido, kommt es zum Bruch zwischen den Beteiligten. Im März 2018 findet das letzte Gespräch zwischen Arafat und Bushido statt.

 

Seit Anis Ferchichi aka Bushido auch vor Gericht ausgesagt hat, gilt der ehemalige „Staatsfeind Nr. 1“ und Gangster-Rapper als gefährdete Person. Seit fast drei Jahren leben er und seine Familie jetzt schon unter Polizeischutz. Ende 2018 veröffentlicht Bushido den Song „Mephisto“ – sozusagen seine musikalische Generalabrechnung mit Abou-Chaker. Das Lied ist mehr als zehn Minuten lang, das dazugehörige Video wurde auf YouTube bis heute mehr als 21 Millionen Mal angeklickt.

 

In der Amazon-Serie gibt Bushido private Einblicke in sein Familienleben und seine Vergangenheit: Er berichtet von seiner Jugendzeit; wie er die Schule abgebrochen hat und mit einem Rucksack voller Drogen erwischt wird; wie er merkt, dass er Talent für „Beats“ hat und beginnt, Musik zu machen. In der Doku kommen Rapper wie „Frauenarzt“, „King Orgasmus One“, „Sido“ und Label-Mitbegründer „D-Bo“ zu Wort, aber auch Insider wie der Ex-LKA-Beamte Klaus Nachtigall oder der Clan-Experte Thomas Heise.

 

Plötzlich kein böser Junge mehr

 

Hinter jedem Mann steht immer auch eine starke Frau – in diesem Fall Bushidos Ehefrau und achtfache Mutter Anna-Maria Ferchichi, die im November Drillinge zur Welt gebracht hat. Ihre Aussagen in der Doku wirken besonders glaubwürdig. Als sie von der Trennung von Bushido erzählt (im Jahr 2014), weint sie vor der Kamera. Es scheint so, als hätte Anna-Maria aus dem vermeintlichen Gangster-Rapper einen besseren Menschen gemacht.

 

„Unzensiert – Bushido’s Wahrheit“ ist spannend, was kein Wunder ist – die dramatische Geschichte von dem Rapper und dem Clan-Boss ist so gut, dass man dahinter eigentlich einen genialen Hollywood-Drehbuchautor vermuten würde, der alles erfunden hat. Besonders Journalisten werden süchtig danach sein, diese Highend-True-Crime-Story immer wieder zu erzählen. Hoch problematisch ist dabei die Etablierung eines Narrativs und die Bildung einer Stellvertreterdiskussion – eigentlich relevanter für die Öffentlichkeit wären die Gefährlichkeit der Clan-Kriminalität und wie man in Deutschland mit Parallelgesellschaften umgeht. Nicht so schön ist auch Bushidos Instrumentalisierung der eigenen Familie: Die Kinder sind immer unverpixelt zu sehen – die Persönlichkeitsrechte von Minderjährigen werden stark beansprucht.

 

Problematisches Narrativ

 

Man hat das Gefühl: Gezeigt wird nur die eine Seite der Medaille, weil die Gegenseite zu selten (oder gar nicht) zu Wort kommt. Das liegt vielleicht auch daran, dass Arafat Abou-Chaker zu einer Stellungnahme nicht bereit war. „Er und seine Brüder fühlen sich als krimineller Clan diffamiert“ ist in einer Einblendung am Anfang der Doku zu lesen. Und: „Arafat Abou-Chaker hat bislang sämtliche Anschuldigungen gegen ihn zurückgewiesen und ist nicht vorbestraft“.

 

Für Bushido und Co ist diese Amazon-Doku natürlich eine Win-win-Situation in Sachen Image-Bildung: Auch wenn er die Sendezeit mehrfach nützt, um Abou-Chaker auf heftigste Weise öffentlich zu beleidigen, werden die Bilder vom zärtlichen Familienvater bleiben. Der stolze Drillings-Papa ist sich seiner Sache ziemlich sicher: Unter dem Schutz des LKA glaubt er offenbar, dass er weiter Öl ins Feuer gießen kann. Was sich wohl die Beamten denken, die zum Schutz seiner Familie bereitstehen?

 

Hinweis: Für diese Rezension standen die ersten drei Episoden zur Verfügung.

 

Bushido-Doku bei Amazon: "Unzensiert – Bushido‘s Wahrheit“ startet am 26. November in Deutschland und Österreich.

 

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