HOMELAND

 

GQ-Magazin / 05. Juni 2018

„Homeland“: Unterwegs im Paralleluniversum

 

Die sechste Staffel „Homeland“ ist seit Anfang des Monats bei Amazon Prime zu sehen. Nach dem Finale in Berlin in der letzten Staffel spielt die Handlung jetzt wieder in den USA.

 

Der Mann hat blonde, nahezu gelbe Haare und er hat sich tatsächlich erst vor wenigen Tagen mit Kim Kardashian im Oval Office getroffen. Die Rede ist natürlich von Donald Trump. Auf dem Pressebild fletscht der aktuelle Präsident der Vereinigten Staaten die Zähne wie ein verrückter Fan oder Teenager – schließlich kommt es nicht oft vor, dass ein so wichtiger Star wie Kardashian vorbeischaut. Das Foto sieht surreal aus. Wäre Trump ein Schauspieler in einem Marvel-Blockbuster, würde er jetzt sicher ein Dekret unterzeichnen um alle X-Men zu töten oder verkünden, dass er und Kim gemeinsam die Weltherrschaft übernehmen werden.

 

Hätte man jemandem vor zwei Jahren von Trump und Co. erzählt, wäre man ziemlich sicher für verrückt erklärt worden. Womit wir bei der aktuellen Staffel „Homeland“ angekommen wären, die gerade bei Amazon Prime gestartet ist. Howard Gordon und Alex Gansa, die Produzenten der erfolgreichen Thriller-Serie, hatten Trump nicht auf dem Schirm: Bei „Homeland“ spielt eine zunächst liberale Präsidentin eine zentrale Rolle, die stark an Hillary Clinton erinnert. Manchmal ist die Realität eben fantastischer als die Fiktion.

 

Ist "Homeland" jetzt noch zeitgemäß?

 

Ist die Diskrepanz zwischen Filmhandlung und tatsächlichen Geschehnissen problematisch? Eigentlich nicht: Man ist durchaus in der Lage, sich die sechste Staffel „Homeland“ als eine weitere Version der Realität vorzustellen, oder gleich als Paralleluniversum. Mit den Themen Fake News oder Bots in den Sozialen Medien trifft die Serie ja außerdem den Nerv der Zeit: Eine finstere Verschwörung aus CIA und einem rechtskonservativen Think Tank ist hier am Werk, eine Art Medienunternehmen, welches entfernt Ähnlichkeiten zu Breitbart News oder Cambridge Analytica aufweist. Auch in dem aggressiv auftretenden Brett O`Keefe (Jake Weber) glaubt man jemanden wie Steve Bannon erkennen zu können.

 

Diese Gang aus Demagogen und CIA-Agenten arbeitet gemeinsam am Untergang der frisch gewählten Präsidentin Elizabeth Keane (gespielt von Elizabeth Marvel), die ihr Amt noch nicht einmal angetreten hat. Ein wichtiger Erzählstrang verarbeitet zudem das Atomabkommen mit dem Iran, ein momentan topaktuelles Thema.

 

Carrie Mathison (Claire Danes) wohnt mit ihrer Tochter in New York und arbeitet für eine gemeinnützige Organisation, die muslimischen Bürgern Rechtshilfe bietet. Peter Quinn (Rupert Friend) leidet an den Nachwirkungen der Geschehnisse von Berlin in Staffel 5. Der ehemalige CIA-Elitesoldat brütet eine schwere posttraumatische Belastungsstörung aus und ist in einem Militärhospital in Behandlung, in dem er sich nicht wohl fühlt. Dar Adal (F. Murray Abraham) und Saul Berenson (Mandy Patinkin) sind auch in der sechsten Staffel als leitende Führungskräfte für die CIA tätig.

 

Als Carries junger Klient Sekou Bah unter Terrorverdacht gerät, kommt die Handlung ins Rollen. Nachdem mitten in New York ein Lieferwagen explodiert ist, überschlagen sich die Ereignisse – Sekou Bah wird zunächst verdächtigt, doch später wird immer unklarer, wer die Bombe in dem Wagen platziert hat.

 

Die Sache mit der Relevanz

 

„Homeland“ hatte schon von Anfang an ein leichtes Glaubwürdigkeitsproblem: Die Ex-Agentin Carrie Mathison ist zum Beispiel auch in der sechsten Staffel nach wie vor bipolar: Sie ist einerseits völlig funktional, andererseits ziemlich durch den Wind. Egal wo Carrie arbeitet, in Berlin oder in Brooklyn, als Sicherheitschefin einer Stiftung oder als Mitarbeiterin einer sozialen Organisation, immer ist die junge Mutter in terroristische Konflikte verwickelt. Auch wenn sie mittlerweile dauerhaft stabil ist, wird ihre Krankheit vom Jugendamt gegen sie verwendet, um ihr das Kind wegzunehmen. Dass sie nebenbei Beraterin der designierten Präsidentin ist, spielt offenbar keine Rolle. Auch Peter Quinn scheint gleichzeitig traumatisiert und voll einsatzfähig zu sein. Natürlich macht die Unausgewogenheit der Figuren den besonderen Reiz aus, den Serien wie „Homeland“ oder „Mr. Robot“ haben.

 

Egal, könnte man sagen, die Wirklichkeitsverarbeitung von „Homeland“ schaut man sich gerne an, es macht Spaß sich in diesem Paralleluniversum aufzuhalten, auch weil die Serie verdammt spannend ist. Das mag stimmen, trotzdem haben Serien ohne Glaubwürdigkeitsproblem sicher eine höhere Form von zeitgemäßer Relevanz. Die plötzliche Wendung in der letzten Folge stimmt einen immerhin nachdenklich: „Homeland“ geht nun in eine ganz andere Richtung, viel weiter weg von dem, was bisher geschah. Das könnte interessant werden.

 

Werden wir Carrie und Saul wiedersehen? Ja, soviel steht fest - auch wenn Claire Danes angekündigt hat, dass sie kein Interesse mehr an einer Fortsetzung hat. Die achte Staffel, die 2019 erscheinen soll, wird dann endgültig die Letzte sein.

 

„Homeland“, Staffel 6 ist seit dem 01. Juni bei Amazon Prime Video abrufbar.

 

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Teaserbild (C) Showtime