GQ-MAGAZIN / 28. Februar 2019
„I am the night“: Ein Neo Noir-Thriller mit Chris Pine
„I am the night“ ist eine sechsteilige Dramaserie von „Wonder Woman“-Regisseurin Patty Jenkins. In den Hauptrollen: India Eisley und Chris Pine. Die Serie erzählt eine düstere Coming-of-Age-Story und spielt im rassistischen Los Angeles der 1960er-Jahre.
Der Mord an Elizabeth Short gehört mit zu den bekanntesten ungeklärten Fällen der Kriminal-Geschichte von Los Angeles. 1987 verfasste der amerikanische Schriftsteller und Bestseller-Autor James Ellroy einen Roman über die „schwarze Dahlie“, der 2006 von Brian De Palma verfilmt wurde. Zahllose TV-Dokumentationen und Sachbücher beschäftigen sich ebenfalls mit dem Thema. Die Miniserie „I am the night“ von Drehbuch-Autor Sam Sheridan fügt diesem Kosmos nun eine weitere Geschichte hinzu, die von wahren Begebenheiten inspiriert ist. Als Grundlage diente das Buch „One Day She`ll Darken: The Mysterious Beginnings of Fauna Hodel“.
Fauna Hodel, gespielt von India Eisley (bekannt aus „Underworld Awakening“), ist ein junges Mädchen, das in Reno, Nevada, in einer armen Gegend aufwächst. Sie sieht aus wie eine Weiße, hat aber eine afroamerikanische Mutter und wird aus diesem Grund in der Schule gemobbt. Ihre alleinerziehende Mutter Jimmy Lee (brillant dargestellt von Golden Brooks) hat Fauna nicht erzählt, dass sie als Baby adoptiert worden ist. Als Fauna die Geburtsurkunde findet und mehr über ihre echte Mutter erfahren will, wird die Handlung in Gang gesetzt. Sie kontaktiert ihren Großvater Dr. George Hodel (Jefferson Mays), einen Gynäkologen und Veranstalter von berüchtigten Partys, der sie nach Los Angeles einlädt. Ohne Erlaubnis ihrer Mutter, bricht der Teenager nach Kalifornien auf. Dort trifft sie auf den traumatisierten Reporter und Ex-Marine-Soldaten Jay Singletary (Chris Pine), der sich früher obsessiv und selbstzerstörerisch mit dem Dahlien-Mord beschäftigt hat. Der Teenager und der Reporter bilden schließlich ein schicksalhaftes Duo, das auf der Suche nach der Wahrheit immer tiefer in Bedrängnis gerät.
Auf der Suche nach Identität
Nach ihrem Erfolg mit „Monster“ (2003) verschwand die Filmemacherin Patty Jenkins für lange Zeit von der großen Kinobühne, und kehrte erst 2017 mit dem Welterfolg „Wonder Woman“ wieder zurück. In der Zwischenzeit arbeitete sie an TV-Serien wie „Entourage“ oder „The Killing“ mit. „Monster“ war inspiriert vom Leben der Aileen Wuornos, einer amerikanischen Serienmörderin, die 2002 in Florida hingerichtet worden war. Charlize Theron verkörperte die Mörderin Wuornos und wurde mit einem Oscar als beste Hauptdarstellerin geehrt. Der Filmkritiker Roger Ebert schrieb damals begeistert: „Dies ist eine der großartigsten Darstellungen in der Geschichte des Kinos.“
Patty Jenkins inszeniert „I am the night“ wie einen klassischen Neo-Noir-Thriller, ästhetisch ähnlich wie etwa „L.A. Confidential“ (1997) von Curtis Hanson. Inhaltlich und vom Suspense her kommt die neue Serie allerdings nicht an das epische Vorbild heran. Chris Pine übernimmt hier den Part des aufgequollenen Säufers und Kokainsüchtigen, der oft Ärger am Hals hat oder Dresche bezieht – ein hartnäckig ermittelnder Reporter bleibt er trotzdem. Die Figur, die von India Eisley verkörpert wird, ist ununterbrochen auf der Suche nach ihren Wurzeln und somit nach ihrer eigenen Identität. Das naive Mädchen ist das perfekte Opfer, ein Spielball in der Hand der dunklen Mächte, die in den Fall der „Schwarzen Dahlie“ verstrickt sind. In weiteren Rollen: Connie Nielson (bekannt aus „Gladiator“) als eiskalte Femme fatale und Performance-Künstlerin: Ihre Darstellung der Corinna Hodel gehört mit zu den sehenswertesten Performances der Mini-Serie. Außerdem: Der Schauspieler Jefferson Mays („The Ballad of Buster Scruggs“) als Gynäkologe und Party-Veranstalter Dr. George Hodel.
Schaurige Original-Drehorte
„I am the night“ ist ein schön anzusehendes Stück Crime-TV, das auch von der hermetischen Architektur des alten Los Angeles profitiert. So steht die Villa, in dem Corinna Hodel wohnt, symbolhaft für Einsamkeit und verborgene dunkle Geheimnisse, aber auch für den Reichtum Hollywoods – Erinnerungen an Billy Wilders „Sunset Boulevard“ (1950) werden wach. Besonders im Fokus steht allerdings das gespenstische John Sowden House von Lloyd Wright, das an einen Maya-Tempel erinnert – es wirkt wie ein Relikt einer vergangenen Epoche, ein Übrigbleibsel einer Zeit, die unwiderruflich vorbei ist. Von 1945 bis 1950 war George Hodel der Besitzer, der damals auch als einer der Verdächtigen im „Dahlien-Mord“ galt und der von seinem eigenen Sohn Steve (in dem Buch „Black Dahlia Avenger“) Jahrzehnte später beschuldigt wurde, dort im Keller Elizabeth Short getötet zu haben.
Bei der Premiere von „I Am the Night“ in Los Angeles sprach das Branchenmagazin Variety mit der Crew über die Dreharbeiten im Sowden House. "Es hat eine sehr, sehr schwere Energie. Während der Dreharbeiten fühlte ich mich oft körperlich krank", sagte India Eisley. "Es ist so isoliert, es fühlt sich an wie ein Mausoleum. Man könnte sich vorstellen, dass da jemand schreit und nicht gehört wird."
„I am the night“ wird ab 28. Februar immer donnerstags ab 20:15 Uhr in Doppelfolgen bei TNT Serie ausgestrahlt und ist auf Abruf beim Streamingdienst Sky Ticket verfügbar.
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